"Sie müssen 30 ECTS-Punkte machen. Dabei können Sie jeden Kurs einbringen, der an einer Berliner Hochschule angeboten wird." So oder so ähnlich erklärt mir mein Studiengangsleiter an der Beuth-Hochschule die Auflage, an die meine Freigabe zur Masterarbeit gebunden ist. Studieren, was ich will, egal wo in Berlin - und dafür auch noch einen Abschluss bekommen! Mann, ein Traum! Oder?
Sofort kommen mir zig Ideen. Roboter programmieren, einen Mathekurs hören, die Französischkentnisse auffrischen. Außerdem ein paar Informatikkurse, vielleicht ein Seminar zu was Gesellschaftswissenschaftlichem? Wo fängt man an zu planen, wenn man aus dem Vorlesungsangebot aller Berliner Hochschulen wählen kann?
Kurse auswählen
Natürliche Anlaufstelle, um Kurse zu belegen, ist das Vorlesungsverzeichnis. AGNES der Humboldt-Universität, das Vorlesungsverzeichnis der FU und das Vorlesungsverzeichnis der TU könnten unterschiedlicher kaum sein. Nach etwas Eingewöhnungszeit komme ich aber mit allen drei Systemen zurecht.
Nun gilt es, sich eine Übersicht über das Angebot zu verschaffen. Gar nicht so einfach angesichts der unüberschaubaren Menge an Kursen. In Kleinstarbeit kopiere ich mir eine Tabelle zusammen, um Kurse vergleichen zu könne, die für mich in Frage kommen.
Wichtig ist, sich hier nicht von den Modulbeschreibungen abschrecken zu lassen und es getrost zu ignorieren, wenn "Analysis I-III für MathematikerInnen" als Voraussetzung angegeben wird. In meinem Freundeskreis höre ich mich um, stelle die Frage: "Wenn du mich einen Kurs aus deinem Studium studieren lassen könntest, welcher Kurs wäre das?". Ausgehend von dieser Sammlung fange ich an, zu sortieren.
Für jeden Kurs führe ich eine Bewertung mit persönlichem Interesse und Relevanz für meine weitere akademische/berufliche Entwicklung ein. Schließlich schrumpfe ich die Liste auf acht Kurse ein.
An den Berliner Universitäten herrscht Knappheit
Glücklicherweise sind die Semesterstarts der Universitäten verschoben. So besuche ich innerhalb von zwei Wochen sieben unterschiedliche Kurse und vier Sprechstunden. Dabei wird klar: Es gibt ein Unterangebot an den Berliner Universitäten. Zum Beispiel die Informatik-Masterkurse der TU Berlin. "Enterprise Computing" ist so stark überbelegt, dass ich als Nebenhörer nicht einmal zum Losverfahren für die Teilnahme zugelassen werde.
Der schwierigste Teil des gesamten Unterfangens ist es also, überhaupt an den Kursen teilnehmen zu dürfen. Als Faustregel gilt, dass man den/die DozentIn überzeugen muss. Mit Zustimmung der/des Dozierenden ist der Rest reine Formalie und mit wenigen Gängen zur Studienverwaltung abgeschlossen.
Generell ist es problematisch, an Masterkursen auch nur als NebenhörerIn teilzunehmen. Bachelorkurse kann man meist ohne Probleme belegen. Eine Ausnahme bildete das Seminar "Statistical Programming Languages" an der HU Berlin. Hier konnte ich nur durch Losglück teilnehmen.
Lessons learned
Letztlich habe ich acht Kurse besucht. Lediglich das Seminar "Philosophie des politischen Liberalismus" blieb hinter meinen Erwartungen zurück. An der Beuth-Hochschule habe ich zwei Projektarbeiten gemacht, in denen wir in Gruppen Unternehmen berieten. Einen Französischkurs habe ich tatsächlich besucht, außerdem den Mathekurs "Numerische Lineare Algebra I", gelesen von Prof. Nabben (super Kurs).
Der hochtheoretische Kurs "Machine Intelligence I" hat mir fast alles über Supervised Learning beigebracht, was ich weiß. Im Seminar "Statistical Programming Language" habe ich die Programmierung mit R gelernt. Und in der Ringvorlesung "Digital Future" alles Mögliche über den digitalen Wandel.
Die größte Überraschung war der Kurs "Webtechnologie" an der TU, veranstaltet von Prof. Küpper vom SNET. Hier habe ich unwahrscheinlich viel gelernt über Webentwicklung, zu Paradigmen des Webs und zu Programmierung mit JavaScript.
Alles in allem war es ein fantastisches Semester, wahrscheinlich das schönste Semester meines Studiums. Ich konnte mich intensiv auf meine Masterarbeit vorbereiten, als Werkstudent arbeiten und gleichzeitig Kurse studieren, die mich wirklich interessiert haben. Ein Hoch auf die Nebenhörerschaft!